Schon mischt sich Rot in der
Blätter Grün,
Reseden und Astern sind im
Verblühn,
Die Trauben geschnitten, der
Hafer gemäht,
Der Herbst ist da, das Jahr wird
spät.
Und doch (ob Herbst auch) die Sonne
glüht, –
Weg drum mit der Schwermut aus
deinem Gemüt!
Banne die Sorge, genieße, was
frommt,
Eh' Stille, Schnee und Winter
kommt.
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Theodor Fontane (1819 - 1898)
Liebe Karin,
ich bin
total begeistert von Deinen Fotos[1] (Festival
of Lights). Ich hatte von dem Festival gehört – konnte es mir jedoch nicht
wirklich vorstellen.
Du sprichst mir aus der Seele, wenn Du
schreibst: „Vielleicht sind es auch solche Bilder,
die den Menschen immer wieder die Hoffnung erhalten und ihren Mut stärken: Es
sind viele, die gemeinsam Freude haben. Und die Kreativen, die uns solche
Erlebnisse erschaffen, können nur im Frieden wirken. Für derartige Aktionen
sind Energie, Geld und Geist doch viel sinnvoller eingesetzt, als für Krieg und
Streit.“
Und dann
kommst Du mit diesen wunderbaren Bildern um die Ecke – als sei es das
Natürlichste der Welt. Freude! Danke! Da capo!
Ich
gratuliere Dir und ANNA zu den ersten Erfolgen: „Zum
Glück hat ANNA jetzt schon neue Freunde gefunden und auch erste Erfolge in
ihrer neuen Arbeit.“ Das freut mich sehr. ANNA ist bei Dir ganz einfach in
wirklich sehr guten Händen.
ABER.
Ja, liebe
Karin, Du hast es mal wieder genau auf den Punkt gebracht: Das grosse ABER. Ist ja auch verständlich: Wenn wir so ohne
weiteres zu unseren Zielen kommen könnten – dann hätten wir sie ja längst alleine
erreicht. Wir sprechen deshalb mit anderen Menschen über unsere Themen, weil
wir alleine nicht (so richtig) weiterkommen. Wir kennen doch bereits unsere
Sackgasse, in die wir gelaufen sind.
Aber wir erkennen
(noch) nicht, welche Wege nach draussen führen. Zu unserem Ziel. Ob zu dem
richtigen Partner – der richtigen Partnerin. Ob zu der für uns richtigen
Aufgabe, dem Job, der Arbeit, bei der wir uns erfüllt fühlen. Oder zu der für
uns angemessenen Art mit uns und unserem Leben umzugehen. Wir sehen das Ufer
auf der anderen Seite – wissen aber nicht wie wir dahin kommen.
Foto: Saskia-Marjanna Schulz
Warum ist
das so? Nun, Du weisst es natürlich: Weil wir ein bestimmtes Repertoire an
Lösungen gelernt und diese bisher mit mehr oder weniger Erfolg praktiziert
haben. Wenn sich die Aufgaben ändern und/oder unsere Rahmenbedingungen,
Erfahrungen, Einstellungen – dann geht das, was gestern noch möglich war –
nicht mehr … so richtig.
Neue Ansätze
sind (noch) nicht da. Woher auch? Die haben wir ja bisher nicht gebraucht. So
sind wir bald ratlos. Nach einer gewissen Zeit möglicherweise verzweifelt. Wir
zweifeln an uns. An unseren Handlungen, Kompetenzen und Begabungen. Wir suchen
und finden Schuldige – aber wir kommen nicht weiter. Wir kommen uns vor, wie
der Hamster im Rad. Wir arbeiten, schuften – Stress! – aber wir bleiben auf der
Stelle. Hilfe suchen? Auf die Idee kommen wir doch gar nicht. Was sollen denn
die anderen denken? Wir sind ja schliesslich hochbegabt. Wenn wir das nicht
schaffen – wer denn?
Dabei ist es
– zumindest theoretisch – ganz einfach: Wir müssen unseren Geist daran gewöhnen,
dass wir neue Wege brauchen. Wir brauchen Alternativen und damit neue
Einsichten. Was tun? Wir dürfen unsere Selbstvorwürfe gemeinsam mit unserem
Selbstmitleid und unserer Bockigkeit in die Kur schicken. Und uns auf uns selbst
besinnen. Wir geben grünes Licht für Weitblick, Spürsinn, Esprit.
Wir dürfen
uns fragen, was wir wollen. Was wir uns wünschen. Bei was wir uns wohl fühlen.
Echt fühlen. Authentisch fühlen. Wenn wir es uns erlaubt haben, unsere
Bedürfnisse und Wünsche zu erkennen – dann kann auch wieder die Leidenschaft
für unser Leben in uns erwachen. Ich denke, ANNA hat bereits diese Entwicklung
erreicht. Und was machen wir nun mit dem ABER? Ich bin schon gespannt, was Du
berichten wirst.
Bei
Menschen, die ich kenne, konnte ich folgendes beobachten:
Wir beginnen
mit einem Training, das unserer Denkweise hilft, die neuen Wege zum Ziel zu
finden. Wir beginnen mit ganz einfachen Schritten.
Einer meiner
Lehrer wusste da ein feines „Hausmittelchen“: Wir fangen an, im normalen Alltag Alternativen zu wählen. Da,
wo wir eine Wahl haben. Auch wenn sich das jetzt erst mal recht simpel anhört –
„Alternativen im Alltag aktivieren“ – so ist es doch zumeist von Erfolg gekrönt.
Denn wir brauchen fast alle eine bestimmte Zeit der Umgewöhnung, der
Einstimmung auf das Neue.
Welchen
Bereich wählen wir aus? Ganz einfach: das tägliche Leben. Wir motivieren unsere
Denkkraft, etwas Neues zu suchen und zu finden. Denn, wenn wir das oft genug mit
unserem angeborenen Einfallsreichtum gemacht haben, macht unser Verstand das
bald von ganz alleine nach. Und findet so genau das, was wir uns gewünscht
haben.
Erste Fortschritte zeigten sich bei Menschen,
die ich kenne, indem sie alternative Wege gegangen oder gefahren sind: einfach
auf dem Weg zur Schule, zur Uni, zur Arbeit. Anstatt die klassischen
„Trampelpfade“ zu benutzen, gab es neue Wege/Strassen/Autobahnen. Vielleicht
dauerte es länger bis wir unser Ziel erreichten, vielleicht waren die Pfade
weniger bequem oder komfortabel. Aber so ist das mit dem Training – wie auch
sonst im Leben: von Nichts kommt Nichts. Wir dürfen schon Einsatz zeigen – denn
wir wollen ja auch belohnt werden.
Es geht noch
weiter: wir dürfen uns überlegen, wie wir weitere Neuerungen in unser Leben
bringen: Statt immer Apfeltee zu trinken, mal Chrysanthemen Tee ausprobieren.
Oder Ginseng Tee. Oder Verveine Tee. Beim Sonntagsspaziergang zum alten Forsthaus –
mal überlegen, ob es nicht ganz hübsch wäre, auch an den kleinen Weiher zu
gehen. Da, wo Kinder oft die Enten füttern. Und dann ganz anders den Heimweg antreten.
Kühne Menschen finden ein neues Hobby,
einen neuen Ferienort oder outen sich mit einer unbekannten Begabung.
Foto: Saskia-Marjanna Schulz
Diese Methode
habe ich mit einem Manager aus München praktiziert – nennen wir ihn Florian.
Flo wollte meine Hilfe – ohne sagen zu können, was er wirklich wollte. Hochbegabt, mit zwei
Studienabschlüssen sowie einem interessanten, sicheren und gut dotierten Job –
war er nicht in der Lage, sich seiner Unzufriedenheit klar zu werden. Nach der
beschriebenen Aufwärmphase dämmerte es ihm: er wollte eine Ehe-Frau. Jetzt kam
das ABER: Florian schämte sich, auf dem „natürlichen Weg“ (im Beruf, beim
Sport, im Club) keine Frau gefunden zu haben. Und blieb in seiner Scham
erst einmal
stecken.
Was würde es
da bringen, ihm eine seriöse Heiratsvermittlerin zu empfehlen? Flo hatte nicht nur Scheu dort alleine
hinzugehen – er hatte auch Angst davor, mit ihr zu reden.
Wir wussten
beide: so konnte er nicht die Frau finden, die sich ihn als Ehemann wünschen
würde. So gab es erst einmal Gespräche. Viele Gespräche. Und eine Methode, die
mir beim Fitness/Sport sehr geholfen hatte und immer noch hilft. Ich habe viele
Sportarten ausprobiert: Fussball, Handball, Reiten, Segeln, Walking, Jogging,
Ski, Schlittschuh, Tennis, Golf, Fechten … immer wieder kam ich an einen Punkt,
wo mir ein Lehrer, Trainer oder ein anderer Sportler mit der Frage begegnete:
„Sind Sie nicht die Schwester von …?“ Und dann wurde erst mal mein Bruder lang
und breit gelobt. Wie beeindruckend, enthusiastisch und ausgezeichnet mein Bruder Sport macht. Nicht selten mit dem
mitleidigen Blick in meine Richtung: Bleiben SIE (!) doch besser bei Ihren
Büchern!
OK, ich habe
nicht den Ehrgeiz Sportpreise zu gewinnen – und in Olympia war ich aus
historischen – nicht aus sportlichen Gründen. Ich wollte einfach Sport machen.
Ohne WENN und ABER. Aber irgendwie wollte mir das nicht so recht gelingen.
Bis ich die
Fitness-Cassetten von Antony Fedrigotti[2]
entdeckte. Es
dauerte einige Monate bis ich die Veränderungen erkannte: Zuerst machte mir Walking
immer mehr Spass. Ich kaufte meinen ersten Trainingsanzug. Und einen zweiten.
Ich arbeitete schliesslich sogar mit einem Sportlehrer (Deutscher Meister)
zusammen. Während ich in Seminaren mit „meinen Manager/innen“ über
Kommunikation diskutierte – wurde in den Pausen Sport gemacht.
Heute bin ich öfter im Fitness-Studio als
mein Bruder auf dem Tennisplatz. Und die Sportlehrer, Trainer und Sportsfreunde
sind stumm geworden!
Auch für Flo war die Methode von Antony
Fedrigotti für diese Situation die Richtige. Allerdings nicht als
Fitness-Cassette, sondern in der moderneren Variante als CD und MP3: Partnerschaftsbeziehung[3] und
„Mutig sein - Stark
und kraftvoll durch das Leben gehen“[4].
Nach einigen
Wochen war Florian dann soweit: Wir gingen gemeinsam zur Heiratsvermittlung.
Erstaunlich klar und sicher konnte Floh seine Wünsche äussern. Angstfrei. Er
bekam Adressen von interessierten Frauen – und ich bekam hin und wieder eine
sms mit dem „Stand der Dinge“.
Pause. Eine
Zeitlang hörte ich nichts mehr aus Bayern. Doch dann kam die frohe Botschaft:
Es ist Elena[5]: Ich habe
die richtige Frau gefunden! Nach einer Weile besuchte ich die beiden in ihrem
neuen Haus in München. Und war begeistert. Hier hatten sich zwei gefunden, die
wirklich für einander bestimmt waren. Und nicht nur das: zuerst einmal hat sich
Florian selber gefunden.
Foto: Saskia-Marjanna Schulz
Daran denke
ich manchmal, wenn ich ein ABER höre.
Jeder Mensch
hat seinen eigenen Rhythmus. Manchmal sind Hochbegabte sehr langsam. Dann
wieder sehr schnell. Beides ist richtig, wenn wir wissen, wann wir schnell –
und wann wir langsam sein dürfen. Dabei muss ich an das Buch eines Psychologen
denken: Daniel Kahneman[6] - der
Nobelpreisträger[7] - „Thinking,
Fast and Slow. Schnelles Denken, Langsames Denken.“[8]
Von ihm lerne ich, auch neu zu denken.
Wie das
geht, zeigt Kahneman u.a. an dem Beispiel eines Aktienkaufs. Er erzählt: „Vor
vielen Jahren besuchte ich den Leiter der Vermögensverwaltung eines grossen
Finanzdienstleisters, der mir sagte, er habe gerade einige zehn Millionen
Dollar in Aktien der Ford Motor Company investiert. Als ich ihn fragte, wie er
zu diesem Entschluss gelangt sei, antwortete er, er sei kürzlich auf einer
Automesse gewesen, und das, was er gesehen habe, habe ihn beeindruckt. (…) Er
liess keinen Zweifel daran, dass er seinem Bauchgefühl vertraute, und war zufrieden
mit sich und mit seiner Entscheidung. Ich fand es bemerkenswert, dass er
anscheinend die eine Frage, die ein Ökonom als relevant erachten würde, nicht
in Betracht gezogen hat: Sind Ford-Aktien gegenwärtig unterbewertet?“[9]
Kahneman
erklärt das Verhalten des Vermögensverwalters wie folgt: „Die Frage, vor der
der Manager stand (Soll ich in Ford-Aktien investieren?) war schwierig. Aber
die Antwort auf eine leichtere und damit zusammenhängende Frage (Mag ich Autos
von Ford?) fiel ihm spontan ein und bestimmte seine Entscheidung. Das ist das
Wesen intuitiver Heuristiken: Wenn wir mit einer schwierigen Frage konfrontiert
sind, beantworten wir stattdessen oftmals eine leichtere, ohne dass wir die
Ersetzung bemerken.“[10]
Das gibt mir
die Anregung, mich immer mal wieder zu fragen: welche schwierigen Fragen habe
ich in der letzten Woche gehört – und wie habe ich mich entschieden?
Was wünsche
ich Dir für diesen Herbst? Wir haben hier in den letzten Tagen immer wieder
Sonne satt gehabt – und herrliche Farben, in denen sich das Licht spiegelt. Es
war wunderbar.
Foto: Saskia-Marjanna Schulz
So wünsche
ich Dir Sonne, Farben – und lebensfreudige Sonnenblumen.
Ich umarme
Dich herzlich,
Deine Lilli
[1] Festival of Lights
[2] Antony Fedrigotti
[3] Partnerschaftsbeziehung
[4] Stark und kraftvoll durch
das Leben gehen
[5] Aus Datenschutzgründen
nenne ich sie Elena.
[6] Daniel Kahnemann
[7] The Sveriges Riksbank Prize in Economic Sciences in Memory of Alfred
Nobel 2002
[8] Daniel Kahnemann:
Schnelles Denken, langsames Denken
[9] a.a.O. Seite 24
[10] a.a.O. Seite 25