Fotos: Dr. Karin Rasmussen, Saskia-Marjanna Schulz, Alexandra Gräfin Dohna

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Sonntag, 18. März 2012

Die Kraft der Träume … Und der Albträume

Liebe Lilli,

hahaha – Zwillinge! Die Idee gefällt mir, weil man ja Zwillingen eine gewisse Unzertrennlichkeit nachsagt. Aber natürlich sind wir auch sehr verschieden und ich glaube, nicht nur unsere Mütter können uns problemlos auseinander halten. Wir sind eben, obwohl beide hochbegabt und oft gleicher Meinung, doch unverwechselbar einzigartig – wie alle Menschen. Und das liegt nicht nur an unseren verschiedenen Lebensumständen und Biografien.

Ich danke Dir herzlich für Deinen wieder sehr anregenden Brief! Tatsächlich ist da schon sehr viel Stoff zusammen gekommen, aus dem wir Bücher machen sollten. Denn ich denke, es würden sich dafür zahlreiche Interessenten und Leser finden, die nicht immer erst in unserem Blogarchiv stöbern wollen, um einen unserer Gedanken aufzugreifen und weiter zu entwickeln.

Und es gibt ja tatsächlich viele spannende Fragen – wie zum Beispiel das Thema unseres letzten Gedankenaustausches: Was ist der beste Weg, um sich selbst gerecht zu werden und zu bleiben?

All die klugen Menschen und Bücher, die Du erwähnst und auch die von Dir interviewten Elite- Persönlichkeiten haben doch eines gemeinsam: Sie sprechen und schreiben aus ihrer eigenen Erfahrung – nachdem sie etwas erreicht haben! Und auch die gut gemeinten und sehr überzeugend vorgetragenen „Do what you love“- Ratschläge beruhen in der Regel nicht auf Wunschträumen, sondern sind das Ergebnis positiver Erfahrungen. Deshalb werden sie wahrscheinlich auch so gern gehört, gelesen, wiederholt und weiter gereicht. Wir alle brauchen die Hoffnung, dass es einen „richtigen“ Weg zum Erfolg gibt.

Aber- Du weißt schon, welches „Aber“ jetzt kommt: Hochbegabte haben, wie wir beide wissen, nicht nur eine sehr sensible Wahrnehmung und ein komplexes Gedächtnis, sie haben auch eine sehr vielfältige Traumwelt. Es fällt ihnen meist sehr schwer, sich auf eine bestimmte Ich-Vorstellung festzulegen. Sie haben so viele Potenziale und Kenntnisse auf so vielen Gebieten, dass sie nicht nur EINEN, sondern viele Träume haben. Zu viele! Und diese Träume ändern sich im Laufe des Lebens auch noch. So ist es kein Wunder, dass so mancher meiner Coachees (bei Deinen ist es sicher ähnlich?) gar nicht weiß, welchem Traum er oder sie den Vorzug geben, worauf die Kräfte konzentrieren, worum sich mühen soll.

Und dann sind da ja auch noch die negativen Erfahrungen – eigene und fremde, die uns über die Medien oder über Berichte aus dem Bekanntenkreis mitgeteilt werden. Was man schon alles verpasst hat. Wofür es schon längst zu spät ist. Was alles schiefgehen kann, was man alles „falsch“ machen kann! Daraus werden dann ganz schnell Albträume. Besonders dann, wenn man eben nicht schon seit Kindertagen einen unauslöschlichen Lieblingswunsch hatte (ich will fliegen!!!), dazu auch noch realistische Vorstellungen von einem Weg zur Verwirklichung dieses Traumes (ich mache den Pilotenschein, gehe zur Lufthansa o. ä.!!) und die reale Chance, verbunden mit ständiger Ermutigung durch das Umfeld, diesen Weg auch tatsächlich zu gehen (ich werde Airbus-Pilot!).

Da Hochbegabte auch in ihren Träumen häufig sehr kreativ sind, erleben sie sogar unrealistische Gefahren in ihren Albträumen. Da tauchen dämonische Neider auf, die ungeahnte Steinwälle auf dem Weg zum Ziel errichten, gigantische Katastrophen verhindern den Erfolg und erfordern einen zermürbenden Kampf um das nackte Überleben auf dem niedrigsten (Lohn-)Niveau oder aber der Selbstzweifel meldet sich auch im Schlaf und suggeriert ein vorprogrammiertes Versagen: Der Traum ist zu schön, um wahr zu werden, das Ziel zu groß und der Mensch zu klein, um es zu erreichen. Leider können solche Träume tiefe Eindrücke hinterlassen.  Denn auch Hochbegabte erreichen – entgegen anderslautender Klischees – nicht alles „mit Links“! Sie haben durchaus eigene Erfahrungen mit Misserfolgen und Niederlagen. Also scheinen die Albtraum-Szenarien auch begründet zu sein.

Wir beide, und natürlich auch die meisten Hochbegabten, wissen um die Kraft von Vorbildern. Du nennst ja beeindruckende Namen, die Dich beim Nachdenken und in der Auseinandersetzung mit Deinen Selbstzweifeln begleiten. Und auch Deine Interviewpartner haben (Vor-)Bilder von großen Persönlichkeiten ständig vor Augen.

Nun – meine Vorbilder sind weniger „groß“ und gar nicht berühmt. Ich werde nämlich von dem permanenten Zweifel beherrscht, dass in diesen Bildern von „Größe“ nicht der reale Mensch zum Ausdruck kommt. Die Größe wird ja von einer bestimmten Leistung abgeleitet. Zu dieser Leistung war aber nie nur einer allein fähig, wenn man es genau bedenkt. Es sind eben Bilder – nur Ausschnitte der Persönlichkeit, die in einer nachträglichen Würdigung für die Darstellung gewählt wurden. So ähnlich wie in Nachrufen oder Arbeitszeugnissen. Da darf auch nichts Negatives drin stehen. Klar, man sollte sich ja auch nichts Negatives zum Vorbild nehmen.

Ich glaube zutiefst, dass alle Persönlichkeiten, welche wir für „groß“ halten, in ihrem realen Alltag auch ganz „normale“ Menschen sind oder waren. Also kann ich mir auch ganz normale Menschen zum Vorbild nehmen – Menschen, die ich persönlich kenne und die mich vielleicht nur mit einer einzigen Stärke beeindrucken, aber ansonsten nichts Spektakuläres an sich haben. So entgehe ich der Gefahr, dass meine Vorbilder mir zu groß und damit zu unerreichbar erscheinen. Außerdem kann ich sie häufig ganz real beobachten, von manchen habe ich Bilder in meiner privaten Fotosammlung,  – und direkt von ihnen lernen. Ich muss mir nicht vorstellen, was sie „gesagt oder getan hätten“, wenn sie an meiner Stelle wären – denn das sind sie ja nie! Mit meinen Coachees suche ich ebenso nach solchen realen Vorbildern in ihrer Umgebung. Und dabei wird eines sehr oft deutlich: Auch Hochbegabte übersehen die Talente und Fähigkeiten anderer Menschen. Auch Hochbegabte wissen manches nicht zu schätzen und sind mit ihrer Anerkennung für die Leistungen anderer Menschen ziemlich sparsam. Besonders, wenn ihr eigener Leidensdruck zu groß ist, „rächen“ sie sich mit einer Konzentration auf die Fehler und Schwächen der anderen. Und dann finden sie natürlich keine passenden Vorbilder. Aber die sind da!

In kritischen (und meist nicht von den Helden selbst verfassten) Biografien findet man ebenfalls Beschreibungen ihrer Fehler und Schwierigkeiten. Und es finden sich Darstellungen, wie sie damit umgegangen sind. Wie sie aus Niederlagen gelernt haben. Und mit welchem Mut sie sich selbst großen Schwierigkeiten gestellt haben. In diesem Mut finde ich meine Vorbilder. Dass Erfolg neben glücklichen Umständen eben auch Einsatz, persönliche Opfer und häufig auch Kampf bedeutet, erschreckt mich dann nicht mehr, sondern spornt mich an.

Du schreibst, dass Deine rund 50 interviewten Elite-Persönlichkeiten  neben den Vor-Bildern, mit denen sie sich umgaben, vor allem folgende Einstellungen und Verhaltensweisen zeigten:

  1. Sie waren alle international exzellent vernetzt und betrieben aktive Netzwerkarbeit zu einer Zeit als Deutschland in dieser Hinsicht eher ein Entwicklungsland war.
  2. Sie drückten eine starke Wertschätzung gegenüber sich selbst und allen Beteiligten aus. Auch hier waren sie ihrer Zeit voraus.

Das scheint mir ganz entscheidend zu sein! Beides hängt miteinander zusammen: Nur wen ich wertschätze, wird bereit sein, sich mit mir zu vernetzen. Und mit wem ich vernetzt bin, von dem kann ich lernen! In diesem gemeinsamen Lernprozess wächst dann auch wieder die gegenseitige Wertschätzung – denn Vorbilder und „Lehrer“ lieben lernende „Schüler“. Damit ist natürlich nicht das bloße Nachplappern oder Nachäffen großer Worte bzw. Gesten gemeint. Die eigene Wertschätzung würde darunter ja leiden – die Kopie weiß schließlich, dass sie nicht das Original ist – und alle anderen merken das auch! Vielmehr geht es um echtes Nacheifern: mit Eifer, also Einsatz und Durchhaltevermögen, den Erwerb oder die Verbesserung einer Fähigkeit anzustreben.

Denn wer sich selbst Wert schätzt, kann mit gutem Gewissen den Kontakt zu seinen Vorbildern aufnehmen. Meist sind dazu nur wenige Schritte (im Social Network Xing z.B. nur 4 Kontakte der Kontakte) nötig. Und das ist viel sinnvoller, als in Facebook oder Twitter die Spuren meines aktuellen Speiseplans oder ähnliches zu hinterlassen. Das Gefühl der intellektuellen Einsamkeit verflüchtigt sich praktisch sofort, wenn man durch aktive Netzwerkarbeit den direkten Gedankenaustausch zu einem ernsthaften Thema aufnimmt, das einen gerade brennend beschäftigt. Auch wenn man vorläufig mehr Fragen als Antworten hat. Auch wenn man kein Experte ist. Und auch, wenn man zum Beispiel auf der Suche nach dem eigenen inneren ICH ist, die innere Stimme nicht mehr deutlich genug hören kann. Gerade in diesen Momenten zeigt der Gedankenaustausch (aktive Netzwerkarbeit!) die Gemeinsamkeiten mit unseren Vorbildern und bestärkt uns in unseren Träumen oder Zielen. Denn jeder von uns, nicht nur Hochbegabte(!), hat ein sogenanntes besseres Ich. Nur manchmal wird das verdeckt von den Aufgeregtheiten oder Nichtigkeiten des Alltags. Und dem können wir Widerstand leisten. Gemeinsam erkennt man besser, was wirklich wichtig ist – an uns und an den anderen.

Dann erkennt man auch wieder, wie Du schreibst: „dass ein entspannter Umgang mit Kritik, Zweifel und Fehler ein Segen für alle Beteiligte sein kann.“ Du hast ein Unternehmen von innen gesehen, in dem eine solche Kultur herrscht. Prima – das ist ein weiterer Beweis dafür, dass es geht, dass es sich lohnt und dass es gut tut. Prima, der Aufruf des Personalchefs: „Machen Sie Fehler! Machen Sie ruhig Fehler! Aber, machen Sie diese Fehler bitte nur einmal.“

Das ist eine direkte Aufforderung aus einer schuldorientierten Fehlerkultur eine lösungsorientierte Lernkultur zu machen. Welch großartige Herausforderung! Was für ein weites Betätigungsfeld – für uns, unsere Kollegen und unsere Coachees. Denn die sind ja vor Ort unmittelbar betroffen. Und eigentlich träumen wir doch alle davon, die Lösung VOR dem Fehler zu finden. Aber – gleich danach ist auch noch sehr gut!

In dem Zusammenhang faszinieren mich die rasanten Fortschritte der Neurowissenschaften. Wir sind auf dem besten Weg, das Lernen gehirngerecht zu lernen. Und damit alle schmerzhaften, langweiligen, stupiden oder verletzenden Fehleranalysen in beschleunigte, lustvolle Erkenntnisprozesse zu verwandeln. Welch schöne Aussichten für die hungrigen Gehirne unserer hochbegabten Klientel! Wenn es nicht mehr einsame mühevolle Anstrengung, sondern befriedigende gemeinsame Leistung ist, zu lernen. Wenn wir uns zugunsten besseren Wissens von veralteten Ansichten schmerzfrei trennen können, ohne dabei an Akzeptanz zu verlieren. Wenn Autorität nicht mehr allein auf Position und Image beruht, sondern am tatsächlichen Beitrag zur Lösung von echten Problemen gemessen wird.

Aber da bin ich wohl wieder unserer Zeit ein wenig zu weit voraus.
Träume….
Sie treiben mich!

Liebe Lilli, „meine“ Qualitätsmanagerin macht inzwischen riesige Fortschritte. Nachdem wir in ihrer Biografie einige entscheidende Muster (ich hatte ein ähnliches Vorgehen gewählt, wie Du es vorschlägst) gefunden hatten, konnte sie sich einen neuen Kommunikationsstil erarbeiten. Es ging rasend schnell. Na ja, sie ist hochbegabt – und hatte blitzschnell erkannt, worauf es ankommt. Dann hat sie fleißig geübt, mit mehreren ihrer Netzwerkpartner. Die hatten freundlicherweise (aber für mich nicht verwunderlich) auch schnell Verständnis für das Anliegen. Jetzt wagt sie sich an ihre „Problempartner“. Ich werde sie in den nächsten Tagen wiedersehen und dann bestimmt neue Erfolgsberichte hören.

Beschäftigst Du Dich eigentlich auch mit dem Thema Hirnforschung? Kennst Du vielleicht schon eine Studie oder ein Forschungsprojekt zum Lernen bei Hochbegabten? Es würde mich brennend interessieren, ob der Erfolg von Spezialschulen für Hochbegabte allein auf das bessere Lernumfeld oder eher auf besondere Lehr- und Lernkonzepte zurückgeht. Sind es eher die sozialen Faktoren oder ist es eine andere (gehirngerechtere) Lerntechnologie? Schon klar, wahrscheinlich von beidem etwas- aber was wirkt wie?

Ich freue mich jetzt schon auf Deinen nächsten Brief. Bis dahin ist hoffentlich wirklich Frühling, hier ist noch alles grau. Ach ja, Dein Brief würde wahrscheinlich am 1. April kommen – Du hast also das Privileg zum Scherzen!
Viel Spaß bis dahin und alles Gute für Dich und die Deinen.
Von
Deiner Karin

Sonntag, 4. März 2012

Selbstkritik, Selbstzweifel & Einstein

Liebe Karin,

ich muss schon schmunzeln, wenn ich lese, dass Du wiederholt ähnliche Erfahrungen machst wie ich: Von den sorgenvollen Müttern  hochbegabter Kinder bis zu Anfragen von Fernsehproduktionen, die Tipps in Sachen „Superhirne“ erbitten. Wir sind doch keine eineiigen Zwillinge?

Aber – wie erfrischend – ich sehe auch, dass es Unterschiede gibt!
Dazu später.

Wenn es um die Entwicklung von kleinen oder grossen Menschen geht, sehe ich wie Du die > Unsicherheit: Welcher richtige Weg von heute ist der richtige Weg von morgen? Und ich sehe wie Du die Zauberworte „Kraft und Mut“. Jeder Mensch weiss: Im Laufe unseres Lebens gibt es Höhen und Tiefen. Und selbst die besten Ausbildungen reichen nicht aus, wenn sich Fortune von uns abwendet und wir alleine zurechtkommen müssen.

Ja, welches ist nur der richtige Beruf? Welche Karriere bietet die besten Chancen? Wo sind die Hitlisten mit den aussichtsreichsten Branchen? Da muss es doch Wissenschaftler geben, die das erforscht haben, wirst Du wahrscheinlich denken?

Recht hast Du. Allen voran gibt es John Naisbitt.  Der 15-fache Ehrendoktor und Autor des millionenfach verkauften Bestsellers MEGATRENDS. Gemeinsam mit der amerikanischen Trendforscherin Patricia Aburdene hat er 1992 die „Megatrends: Frauen“ geschrieben.

Was meinst Du, welchen Beruf die beiden Forscher empfehlen, wenn sie nach den besten Karriere-Chancen für Frauen gefragt werden? Topmanagerin werden? Im Gesundheitswesen oder im Finanzwesen arbeiten? Naturwissenschaftlerin? Technikerin?

Alles richtig! Aber: Welches ist der grösste Hit? Ich denke, Du ahnst es schon: „Regel Nummer eins heisst deshalb: Verwirklichen Sie Ihren Traum. Der Titel eines spannenden, gut geschriebenen Buches von Marsha Sinetar drückt genau dieses aus: Do What You Love, the Money will Follow. – Wenn die Arbeit Spass macht, kommt der Erfolg von alleine. Die Autorin zeigt Schritt für Schritt, wie Sie Ihren beruflichen Traum in die wirtschaftliche Realität umsetzen können.“

Mir gefällt der Tipp aus zwei Gründen besonders gut:

  1. Frauen können mit ungebremster Begeisterung das tun, was ihnen die grösste Freude bereitet. Ich finde: das ist sehr gesund!
  2. Wer seinen „Traum“ realisiert, wird viel Kraft und Mut aufwenden müssen. Das Kraft-Mut-Kapital, das sich hier aufgebaut wird, kann schwierige Situationen später leichter machen. Ökonomisch und psychologisch gut gedacht.

Und was denkst Du?

Soweit die Frauen. Und was ist mit den Männern? Nun, ich forsche noch. Und denke, dass John Naisbitt, Horst W. Opaschowski, Matthias Horx und Kollegen gute Impulse liefern können.

Warum auch nicht von Vorbildern lernen?

Für Deine nächste Erkenntnis bin ich Dir sehr dankbar: „Ich habe von Vorbildern gelernt!“ Ich auch. Und damit befinden wir uns in bester Gesellschaft.

Ich hatte die Chance, an deutschen universitären Elite-Studien mitzuarbeiten. Du weisst, da werden die Menschen interviewt, die Wissenschaftler als „die Elite“ in Deutschland bezeichnen: Menschen aus der Politik, der Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und dem Sport.

Es war spannend, zu sehen wie sie leben, denken und wie sie die Welt und sich selbst wahrnehmen. Aus den Erfahrungen mit ihnen, den Vor- und Nachgesprächen habe ich auch für mich Erkenntnisse gewonnen.

Die rund 50 Elite-Persönlichkeiten, die ich im Laufe der Zeit näher kennen lernte, zeigten vor allem folgende Einstellungen und Verhaltensweisen:

  1. Sie waren alle international exzellent vernetzt und betrieben aktive Netzwerkarbeit zu einer Zeit als Deutschland in dieser Hinsicht eher ein Entwicklungsland war.
  2. Sie drückten eine starke Wertschätzung gegenüber sich selbst und allen Beteiligten aus. Auch hier waren sie ihrer Zeit voraus.
  3. Sie waren umgeben von Bildern – Fotos und Gemälden – von Vor-Bildern.

Zu den Bildern habe ich sie alle ganz persönlich gefragt: Warum haben Sie hier das Bild von XYZ aufgehängt? Die Antworten: Er motiviert mich. Ich nehme mir ein Beispiel an ihr. Meine Arbeit muss vor ihm bestehen können. Aha.

Die Vorbilder waren Politiker (Friedrich der Grosse, Bismarck, Elizabeth I), politische Denker (Platon, Aristoteles, Hannah Arendt), Naturwissenschaftler, Künstler – seltener: Sportler.

Einer der Interviewpartner erzählte mir, dass er sich immer am Ende des Arbeitstages per Zwiegespräch von seinem Vor-Bild verabschiedet. Erst wenn sein Vor-Bild zufrieden war, verliess er das Büro. Begründung: „Nur durch diese Motivation, Kontrolle und Disziplin habe ich es so weit bringen können.“ Respekt! Denn er sitzt wirklich ganz weit oben.

Seit dieser Zeit bin ich in meinem Büro umgeben von Bildern der Menschen, die mich schon immer fasziniert haben – allen voran: Albert Einstein und Elizabeth I. Und inzwischen spreche ich auch mit ihnen. Ob sie mir nun wirklich antworten oder ob dies selbstkritische Zwiegespräche mit mir sind, vermag ich nicht wirklich zu sagen. Fakt ist aber: Die Reflexionen helfen mir, das Leben auch mal mit anderen Augen zu sehen, die Welt im Allgemeinen und speziellen besser zu verstehen. Dabei erinnere ich mich manchmal daran, dass ein Germanistik-Professor mir einmal gesagt hat: Auch Goethe habe mit Shakespeare Zwiegespräche geführt.

Von ihm – Goethe – habe ich auch die Erkenntnis: „Mit dem Wissen wäscht der Zweifel.“ Zweifeln also vor allem die Gebildeten? Die Wissenden? Die, die sich immer weiter entwickeln? Ist der Zweifel ein Motor für die Weiterentwicklungen unserer Welt?

Brauche ich Selbstzweifel?

Selbstkritik finde ich hilfreich – und notwendig. Und Selbstzweifel auch. Ich bearbeite sie mit Elizabeth. Im Sinne von Alfred Herrhausen, der einmal gesagt hat: "Die meiste Zeit geht dadurch verloren, dass man nicht zu Ende denkt.“ Also denke ich die Zweifel zu Ende - mit Elizabeth, Albert und den anderen. So lange bis ich den Eindruck habe, die Zweifel sind ausgeräumt.

Das ist etwas mühsam. Gewiss. Und es kostet mich Zeit. Viel Zeit. Deshalb kann ich auch nicht wirklich mitreden, wenn meine Freunde die neuesten Tipps über das Marmeladenkochen austauschen. Oder darüber reden, welche Gehstöcke aktuell im Trend liegen, wenn es um die grosse Alpenwanderung geht. Ich weiss auch nicht immer wann welche Ausstellung beginnt, wann welche schliesst und wer gerade da gewesen ist. Aber ich habe dafür das angenehm satte Gefühl, die Selbstzweifel bearbeitet zu haben. Na ja, so lange halt bis die nächsten Zweifel da sind. Und dann gehen die Gespräche wieder von vorne los. Ein Glück, dass meine erlauchten Gesprächspartner so viel Zeit für mich haben.

Und wenn ich Fehler mache? Ich erinnere mich an die Fehlerkultur eines Personalchefs, der in seinem Unternehmer folgende Sätze eingeführt hat: „Machen Sie Fehler! Machen Sie ruhig Fehler! Aber, machen Sie diese Fehler bitte nur einmal.“ Ich habe seine Rede gehört. Und mich nach dem Vortrag im Unternehmen umsehen dürfen. Ich habe mit den Mitarbeitern gesprochen und war sehr beeindruckt von der sozialen Kultur. Die Menschen wirkten hier so befreit und motiviert. Und das Produkt, das sie herstellen ist ein absoluter Bestseller.

Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, dass ein entspannter Umgang mit Kritik, Zweifel und Fehler ein Segen für alle Beteiligte sein kann.

Ganz persönlich haben mir Biografien geholfen. Werke von Politikern, Wissenschaftlern und Künstlern. Sie haben mir geholfen zu erkennen, dass auch andere Menschen trotz Ungerechtigkeit, Benachteiligung und Einschränkungen grosse Ziele ausgedacht und realisiert haben. Zu lesen, wie sie Kritik, Zweifel und Fehlverhalten überwunden haben, hat mich beflügelt

Wenn ich nun an Deine Qualitätsmanagerin denke und an Deine Frage: „Was hättest Du ihr geraten?“ kann ich sagen: Um einen Rat geben zu können, brauche ich tieferes Wissen und ein näheres Gefühl zu ihr. Ein erster Impuls in mir denkt: Ich würde mit ihr eine Analyse ihrer Biografie durchführen. Ich würde danach forschen: wo zeigen sich wie welche Muster? Warum ist das so? Wenn Du von ihr sprichst, gebrauchst Du Worte wie „immer“, „wieder“, „mehrmals wiederholt“. Ich frage mich, ob es sein kann, dass sie sich auch in anderen Zusammenhängen ähnlich verhält. Ob sie ähnliche Einstellungen und Verhaltensweisen hat? Und ob ähnliche Probleme auch in anderen Lebensbereichen aufgetaucht sind oder wahrscheinlich noch auftauchen werden?

Ich bin sicher, dass sie bei Dir in den besten Händen ist!

Wachablösung. Der Mond verschwindet. Nun lichtet sich der Nebel und ganz sanft wagt sich die Sonne an den Tag heran. Guten Morgen, Deutschland. Good morning world.  It's a brand new day ♫☼!

Ein Gedanke, den ich noch nicht zu Ende gedacht habe: Warum unterwerfen sich so viele Hochbegabte dem vermeintlichen (?) Diktat der normal Begabten? Warum leugnen die Hochbegabten ihre Grösse? Warum verstecken sie ihren IQ?

Wie wir alle gelernt haben, heisst der Artikel 1 des Grundgesetzes:
„(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Warum würdigen sich so viele Hochbegabte so wenig?

Mir kommt dazu ein Gedanke, der Nelson Mandela zugeschrieben wird. Das Original schrieb vermutlich Marianne Williamson:

"Unsere tiefgreifendste Angst ist nicht,
dass wir ungenügend sind.

Unsere tiefgreifendste Angst ist, über das
Messbare hinaus kraftvoll zu sein.


Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
die uns am meisten Angst macht.

Wir fragen uns, wer bin ich, mich brillant,
großartig, talentiert, phantastisch zu nennen?

... Und wenn wir unser eigenes Licht erscheinen
lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen
die Erlaubnis, dasselbe zu tun.

Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unsere Gegenwart automatisch andere."


Wie schön, dass Du Dein Licht leuchten lässt.

Einen sonnigen Sonntag,
Deine Lilli