Liebe Karin,
Du hast
wieder so eine wunderschöne Mail geschrieben. Dafür danke ich Dir. Du hast so treffend
die Worte für Deine Freundin gefunden. Ich sah
ihr Leben und Wirken vor meinem geistigen Auge. Ein Glück, dass es ihr jetzt gut
geht.
Danke für Deine Erinnerung: „Glücklich kann
keiner werden, der dafür nicht selbst die Verantwortung übernimmt.“
Ich hatte
auch Glück. Gleichwohl nicht direkt als Glück erkennbar – und das kam so: Manchmal
läuft das Leben anders als geplant. Da habe ich vor Wochen versucht, mir das
Schlafen bis auf 1 bis 2 Stunden abzugewöhnen – erst ging es gut - und dann wurde
ich vom Leben ganz schön ausgebremst. Da
halfen dann auch keine Meditationen, Pillen, Salben – keine Visualisierung und
keine guten Worte. Erst streikte mein linker Arm – kaum genesen, wollte der
rechte Arm nicht mehr. Und so wurde ich in einen unfreiwilligen Urlaub geschickt,
aus dem ich mich nur langsam wieder hinausbewege. Du bist die erste, der ich
antworte. Nun, ja. Antworten ist ein wenig übertrieben, denn noch immer kann
ich nur wenige Minuten Arm und Hand bewegen. Und dann die Schmerzen bei Tag und
Nacht. Aber immerhin kommt hier ein erstes Zeichen.
Wieso ich
damit Glück hatte?
Ein Arzt,
nennen wir ihn Frank, hier aus der
Nachbarschaft meinte ähnlich wie ich: ein paar Stunden Schlaf – das reicht
schon. Schliesslich gibt es so viel, dass zu tun ist: Arbeit, Familie, Freunde,
Fortbildung, Ehrenämter – Du weisst schon. Tja. Und dann ist er einfach so
umgefallen. Wir hofften: nur in Ohnmacht oder dass es ein kleiner
Schwächeanfall wäre. Aber es ist wirklich ernst mit ihm: Er liegt im Koma. Und
sollte Frank je wieder wach werden, wird er für immer gepflegt werden müssen.
Ein Warnschuss.
Aber kommen
wir zurück zu unseren Mails. Wir sind ja auf der Zielgeraden „Abschluss von Prometheus‘
Lobby‘“[1] und mein
Gedanke war, die Themen, die mir besonders wichtig sind, anzusprechen. Über das
Glück[2] sprach
ich beim letzten Mal. Dieses Mal habe ich die Ziele im Blick. Denn Ziele sind
ein ganz besonderer „Stoff“ in unserem Leben. Ohne Ziele können wir ganz schön
hilflos sein – oder wie Abraham Lincoln sagt: „Wer im Leben kein Ziel hat,
verläuft sich.“ William Shakespeare formulierte in seinem "Heinrich VIII"
gleich eine Ziel-Empfehlung für das Leben: "Handle recht, nichts fürchte;
Dein Ziel sei immer Ziel auch deines Landes, Wie deines Gottes und der
Wahrheit."
Dabei ist
das gar nicht so einfach: Was sind Ziele? Sind es Wünsche? Oder Träume?
Visionen? Mit den Zielen haben manche Hochbegabte ihre liebe Not. Sie klagen
dann, dass sie sich mit ihren Zielen unsicher fühlen: die Ziele, die sie
setzen, sind oft zu klein, selten zu gross – und vor allem: Ziele machen sie
unsicher. Du weisst schon, dass ist wie im Umgang mit den anderen Menschen:
sich lieber klein machen, um nicht anzuecken oder ausgelacht und verspottet zu
werden. Mein Vater war z.B. in den Augen der anderen Menschen der Mann, der
immer die „karierten Maiglöckchen“ suchte – und auch oft fand. Wenn die anderen
lachten – lachte er einfach mit. Nicht jeder Hochbegabte kann das lustig finden
– und so gibt es oft „Ziel-chen“ anstatt Ziele.
Foto: Saskia-Marjanna Schulz |
Machen wir
es uns einfach.
Wie?
Einfacher
ist es, wenn wir über Reiseziele sprechen.
Da haben wir
Ahnung und Routine. Einfach im Reisebüro oder online die Reise buchen – das
kann heute jeder. Da gibt es die schönen Bilder, die einfach Appetit machen.
Dann müssen wir nur noch den richtigen Preis und die Zeit rausfinden – und dann
erfahren wir, wann und wo es losgeht.
Und für
unser Leben? Wo gibt es da das „Reisebüro“ mit den schönen Bildchen? Wo kann
man da die Ziele buchen?
Leider habe
ich oft erlebt, dass sich die Menschen mehr Gedanken über ihre Urlaubsziele als
über ihre Lebensziele machen. Verständlich, denn wer hilft schon dabei, die
Lebensziele zu finden. Jetzt wirst Du lachen: ein Coach natürlich! Was aber
machen die Menschen, die (noch) nicht zu einem Coach gehen wollen?
Ich habe da
etwas Feines entdeckt. Ein Kleinod für Feinschmecker: einen Vortrag von einem
Trainer, der Orientierung, Motivation und Hilfestellung für die eigenen Ziele
gibt: Marc A. Pletzer[3]: Hier
gibt es ein paar Einblicke[4].
Wie finde
ich mein Ziel? Oder besser gesagt: wie finde ich aus all meinen Wünschen und
Träumen die wichtigsten Ziele? Gewiss, es gibt da einige Hochbegabte, die
wussten schon im Kindergarten oder spätestens in der Grundschule, was für sie
einmal ganz besonders wichtig sein würde – wie z.B. Wernher von Braun, der
schon als kleines Kind wusste, dass er zum Mond wollte. Und wir anderen? Wie
finden wir unsere Ziele?
Eines der
Probleme ist, dass wir oft denken: das geht nicht. Oder: wie soll das gehen –
habe ich doch Expertisen von Fachleuten, dass das, was ich will nicht möglich
ist. Klar – was soll man da noch weiterdenken? Oder planen? Gleichwohl: wer am
Ball bleibt, kann nicht selten, sein blaues Wunder erleben.
Ich möchte
Dir dazu eine kleine Geschichte erzählen, die ich selbst erlebt hatte: Vor ein
paar Jahren kam eine von den „verheissungsvollen“ Jung-Managerinnen eines grossen
Konzerns zu mir. Nennen wir sie Kristin. Sie sagte von sich selbst, dass sie so
ziemlich alles erreicht hat, was sie sich je gewünscht hat. Doch jetzt sei sie
in einem Stau angekommen und wisse nicht, wie es weiter gehen könne. Irgendwie
finde sie kein neues Ziel und auch keine Motivation nach einem Ziel zu suchen.
Irgendwie
„wusste“ ich, dass hier etwas nicht stimmt. Aber was? Ich verliess mich auf
meinen „detektivischer Spürsinn“, den ich von meinem Vater geerbt hatte – und
hörte einfach weiter zu. Sie erzählte von den grossartigen Chancen und
Möglichkeiten in ihrem Unternehmen und wie man Kristin von allen Seiten
unterstützen würde. Selbst die „gläserne Decke“ sei in ihrem Umfeld für Frauen
unbekannt.
Wo andere
Frauen nun jubeln würden – hatte sie nur ein müdes Lächeln.
Und dann
„wusste“ ich es: „Und was ist mit Ihrer Familienplanung?“, fragte ich sie.
Stille. Und dann begann sie langsam an zu weinen.
Kristin
erzählte mir, dass sie keine Kinder bekommen könne. Dies habe sie sich von zwei
„ganz hervorragenden“ Ärzten bescheinigen lassen müssen.
Alles
erreicht – und dann auch noch Kinder? Das wäre ja auch zu viel des Glücks,
sagte sie sich. Das kann ja kein Mensch ertragen. Nö?
Natürlich
wollte – und konnte – ich das Ergebnis der Ärzte nicht anzweifeln. Aber ich
konnte ihr meine bzw. unsere Geschichte erzählen:
Denn auch
ich kannte eine Frau, die keine Kinder bekommen konnte. Nach acht Jahren Ehe
und vielen Ärzten immer noch kinderlos – meine liebe Schwägerin Alice hatte
eine Odyssee von Leid und Enttäuschungen erlebt. Bis zu dem Tag, an dem ich mit
ihr zur Mutter Meera[5] gefahren
bin. Den Tipp hatte ich von einer politischen Journalistin, die wie ein
wandelndes Lexikon fasst alles kennt und fast alles weiss.
Sie sprach
von Mutter Meera beinahe wie von der Leiterin eines Wellness-Instituts. Doch
weit gefehlt: Diese zarte schöne Inderin, die nun in Deutschland lebt, wird als
eine Avatara bezeichnet. Sie empfängt mehrmals in der Woche[6] ein paar
hundert Menschen aus aller Welt. Gut und schön – aber wie sollte sie meine
Schwägerin „heilen“ können? Ich musste schon sehr viele Zweifel überwinden, es
Alice zu erzählen. Diese jedoch – in Düsseldorf, Kairo und London aufgewachsen
– nahm es ganz locker und war sofort begeistert.
Es war für
mich ein grossess Abenteuer Mutter Meera zu erleben. Das grösste jedoch kam
sechs Wochen später: Alice war schwanger. Und mein Neffe Alexander war und
ist gesund und munter.
Die
Ursachen, die dazu führen, nicht schwanger werden zu können, können vielfältig
sein. Deshalb fragte ich mich: wird Mutter Meera auch Kristin helfen können?
Ich entschied mich, diese Frage Kristin zu überlassen. So erzählte ich ihr von meiner Schwägerin – und
wir verabredeten uns zu einem neuen Termin nach den Sommerferien.
Als wir uns
wieder sahen, strahlte sie. Einfach nur gute Laune? Oder auch neue Hoffnung?
Sie hatte meine Erfahrungen mit ihrem Mann besprochen … und … und jetzt war sie
schwanger! Und die Freude riesengross.
Foto: Saskia-Marjanna Schulz |
Kristin
erkannte, dass sie keine neuen Ziele definieren konnte, weil sie einen
besonders grossen und wichtigen Wunsch nicht bis zu Ende gedacht hatte. So hat
sie sich selbst blockiert. Und auch wieder befreit. Oft machen wir uns mehr
Sorgen als nötig. Manchmal erkennen wir dies – und manchmal gönnen wir uns auch
die (Er-)Lösung.
Liebe Karin,
ich habe gerade jetzt in der Zeit der Beschränkungen erkennen dürfen, dass ich
andere Lösungen in meinem täglichen Leben finden muss – und so habe ich
Erkenntnisse gewonnen, die ich mir in meinen kühnsten Träumen zuvor nicht
vorstellen konnte. Ich musste neu denken, ich musste anders handeln – nun wirst
Du sagen: für Hochbegabte ist dies doch eine Heimspiel. Schon richtig. Aber
auch Menschen mit einem hohen IQ können schon mal in der Sackgasse landen. Und
dann brauchen wir andere Impulse, um da wieder rauszukommen.
Ich habe
viel gelernt – ja, es hat sehr weh getan an den Händen und Armen – aber ich
möchte die Erkenntnisse nicht mehr missen. Und ich habe immer wieder an Deine
Worte denken dürfen: „Ich
glaube, dies ist der alles entscheidende Kern von Glück: Nicht was wir
„kriegen“, sondern was wir bewusst geben können, macht uns glücklich.“
Foto: Saskia-Marjanna Schulz
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Aus
dem organisierten Rheinischen Frohsinn sende ich Dir Sonnenschein – und hoffe,
er möge Dich bei bester Gesundheit erreichen.
In
liebevoller Umarmung,
Deine
Lilli